Das Klima in der Stadt kann sich von dem in benachbarten Gemeinden deutlich unterscheidet. Das zeigt das Forschungsprojekt âKlimaerlebnis WĂŒrzburgâ, fĂŒr das ein Forschungsteam knapp vier Jahre lang Daten gesammelt hat.
An Hitzetagen ist der Aufenthalt in WĂŒrzburgs City fĂŒr manche Menschen eine QuĂ€lerei. Sie schwitzen und fĂŒhlen sich nicht mehr wohl. Im Umland lĂ€sst es sich hingegen gerade am spĂ€ten Nachmittag oft besser aushalten. Der Temperaturunterschied kann enorm sein. âIm Projekt âKlimaerlebnis WĂŒrzburgâ haben wir als höchsten Wert einen Unterschied von ĂŒber acht Grad gemessenâ, sagt Christian Hartmann vom Institut fĂŒr Geographie und Geologie der UniversitĂ€t WĂŒrzburg.
Messungen an acht Stellen im Minutentakt
Das Projekt âKlimaerlebnis WĂŒrzburgâ entstand fast zeitgleich zur Protestaktion der âFridays for Futureâ-Bewegung: Greta Thurnberg streikt seit 2018 an jedem Freitag, âKlimaerlebnis WĂŒrzburgâ wurde am 15. November 2017 offiziell eröffnet. âAnfang 2018 begannen wir dann mit unseren Messungenâ, berichtet Christian Hartmann, der sich als Doktorrand um das ambitionierte Klimaforschungsprojekt kĂŒmmert. An sieben Stellen in der Stadt sowie an einer Stelle in der Landkreisgemeinde Gerbrunn wurden drei Jahre lang im Minutentakt Daten gesammelt, um dem sogenannten Stadtklima-Effekt in WĂŒrzburg auf die Spur zu kommen.
Dieser Effekt, so das Resultat der Erhebungen, kann ganz gewaltig sein. Der höchste Stadt-Umland-Temperaturunterschied von 8,1 Grad wurde am 29. August 2019 gemessen. Dass es einen âStadtklima-Effektâ gibt, ist seit langem bekannt, erklĂ€rt Hartmann. Dieser kommt dadurch zustande, dass AsphaltstraĂen und vor allem aus Beton und Ziegel bestehende GebĂ€ude an Hitzetagen die WĂ€rme speichern, um sie in den frĂŒhen Abendstunden abzugeben. Innerhalb einer Stadt ist der Effekt unterschiedlich groĂ. Unter BĂ€umen, so Hartmann, kann die gefĂŒhlte Temperatur bis zu elf Grad weniger betragen als direkt vor einem Betonklotz.
Eindeutige Botschaft: Pflanzt mehr BĂ€ume!
Durch das Projekt öffnen sich fĂŒr die Stadt als Projektpartner völlig neue Wege. Nie zuvor gab es so konkrete Daten darĂŒber, wie hoch der Stadtklima-Effekt tatsĂ€chlich ist und wie stark BĂ€ume das Stadtklima beeinflussen. Die Botschaft an die stĂ€dtischen Umweltexperten ist laut Christian Hartmann eindeutig: Pflanzt mehr BĂ€ume in der City! Wobei sich die Frage stellt, welche BĂ€ume man wĂ€hlen sollte. Im Projekt wurden zwei Baumarten miteinander verglichen: Die Robinie und die Winterlinde. Wie sich herausstellte, ist die Winterlinde in Sachen Stadtklima-Verbesserung etwas besser geeignet als die Robinie â obwohl sie den Nachteil hat, dass sie viel Wasser benötigt.
Als sich durch Corona die allgemeine Lage mit einem Schlag Ă€nderte, fiel Klimaexperten sofort eines auf: Die Luft wurde besser! Was daran lag, dass der Verkehr durch die Lockdowns drastisch abnahm. Auf das Stadtklima allerdings hatte die erzwungene Verkehrsberuhigung so gut wie keinen Effekt, sagt Christian Hartmann. Hier ist dem 29-JĂ€hrigen zufolge in erster Linie die Wetterlage entscheidend. Hochdruckgebiete sorgen zum Beispiel fĂŒr starke Stadtklima-Effekte. Das zeigte sich bei den Datenerhebungen an den sieben Messstationen im Stadtgebiet deutlich in den Hitzejahren 2018 und 2019.
Messwerte im Internet veröffentlicht
Nach nahezu vier Forschungsjahren hat Christian Hartmann gewaltige Mengen an Daten gesammelt. An den acht Messstationen wurden rund um die Uhr minĂŒtlich verschiedene Wetterdaten sowie die Baumleistungen erfasst. âAlle zehn Minuten wird der Maximalwert, der Minimalwert sowie der Durchschnittswert gespeichertâ, erlĂ€uterte Hartmann. Ăber ein Datenfunkmodul gelangen die Auswertungen auf den Server der Uni. Ăber die Homepage des Projekts âKlimaerlebnis WĂŒrzburgâ (https://www.klimaerlebnis.wzw.tum.de/das-projekt/) können die Daten in Echtzeit abgerufen werden. Auf der Webseite erhalten Interessierte auĂerdem einen Ăberblick ĂŒber die Klimamessungen seit Beginn des Jahres 2018.
Hinter Klimaforscher Christian Hartmann liegt ein tĂŒchtiges StĂŒck Arbeit. So war es alles andere als einfach gewesen, das Forschungsprojekt vorzubereiten. Wo sollten die Messstationen sinnvollerweise aufgestellt werden? Die Forscher mussten Orte mit unterschiedlicher Baustruktur und unterschiedlichem GrĂŒnflĂ€chenanteil identifizieren, um zu zeigen, welche Faktoren ganz genau das Stadtklima beeinflussen. Eben diese Akribie macht das vom Freistaat geförderte Projekt bayernweit einmalig. âTheoretisch hĂ€tte es ja gereicht, zwei Messstationen zu installieren, also eine in der Stadt und eine auĂerhalbâ, erklĂ€rt Christian Hartmann. Doch damit habe man sich nicht begnĂŒgen wollen.
Sieben Messpunkte zeigen die Unterschiedlichkeit
Nun ist WĂŒrzburg zum GlĂŒck keine Megastadt wie Tokio. Mit sieben Messpunkten innerhalb der Stadtgrenze und einem Messpunkt auĂerhalb war es, wie sich herausstellte, sehr gut möglich, den Stadtklima-Effekt in seiner standortgebundenen Unterschiedlichkeit aufzuzeigen. Schön zu sehen ist dies zum Beispiel am Temperaturverlauf an den Messstationen Marktplatz, Frauenland, Gerbrunn und Mainufer am heiĂen Tag des 29. Juni 2019.
An diesem Tag musste man schon Hitzefan mit Leib und Seele sein, um es am frĂŒhen Abend am Marktplatz auszuhalten. Gegen 18 Uhr betrug dort die Temperatur 35 Grad. Am Ludwigskai war es zur selben Stunde 2,5 Grad kĂŒhler. Das Areal rund um den Marktplatz kĂŒhlte laut Christian Hartmann in der Nacht auch nur langsam ab. Gegen 5 Uhr am Morgen des 30. Juni waren es immer noch etwa 18 Grad. In Gerbrunn hatte es zu diesem Zeitpunkt auf 13 Grad abgekĂŒhlt. Am Mainkai betrug die Temperatur 15 Grad.
Das Projekt
Am Projekt âKlimaerlebnis WĂŒrzburgâ beteiligt waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Lehrstuhl fĂŒr Waldwachstumskunde und vom Lehrstuhl fĂŒr Strategie und Management der Landschaftsentwicklung der TU MĂŒnchen. Von Seiten der Julius-Maximilians-UniversitĂ€t WĂŒrzburg (JMU) mit dabei war der Lehrstuhl fĂŒr Physische Geographie mit dem Klimaforscher Professor Heiko Paeth und seinem Doktoranden Christian Hartmann. Finanziert wurde es vom Bayerischen Staatsministerium fĂŒr Umwelt und Verbraucherschutz.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Heiko Paeth, T: +49 931 31-84688, heiko.paeth@uni-wuerzburg.de
Christian Hartmann, T: +49 931 31-89696, christian.hartmann@uni-wuerzburg.de
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